MIT FAIRTRADE ZU MEHR NACHHALTIGKEIT JAHRES- UND WIRKUNGSBERICHT 2019/2020 Foto: Fairtrade / Sean Hawkey2 Inhaltsverzeichnis / Editorial Inhaltsverzeichnis S. 3: GRUSSWORT S. 4: NACHHALTIGKEIT DYNAMISCH GESTALTEN S. 6: DEN PRODUZENTEN EINE STIMME GEBEN S. 8: MARKTÜBERSICHT S. 10: FAIRTRADE – EIN ERFOLGSMODELL FÜR ALLE S. 12: SÜDPERSPEKTIVE S. 14: FAIRTRADE KANN MEHR S. 15: JAHRESABSCHLUSS Das Coronavirus hält die Welt in Atem. Trotz der massi- ven gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausfor- derungen bietet ein Neustart nach der Krise die Chance, den Konsum mittel- und langfristig nachhaltiger zu gestalten. DIE WELT STEHT KOPF Die Corona-Pandemie ist eine bei spiel lose globale Krise, die die Welt in allen Berei chen ver- än dert – von der Gesell schaft über Po li tik und Wirt schaft bis zu un seren täg li chen Rou ti nen. Wir haben gesehen, dass Re- gierungen in sehr kurzer Zeit handeln, Menschen ihr Ver hal- ten ändern und große Soli da- rität zeigen können. Das ist ermutigend. Denn viele der Lebensmittel, die wir täg- lich genie ßen – wie Kaffee, Schokolade oder Bananen – und die Klei dung, die wir tragen, werden in Ländern hergestellt, in denen die Men schen am Existenzminium leben müssen. Verbrau che- rinnen und Verbraucher sind es gewohnt, Produkte billig ein zu- kaufen. Doch Lebensmittelpreise sollten auch „Mittel zum Leben“ sein, und zwar für alle Akteure in den langen Produk t ions ket ten: sowohl an der Kasse im Supermarkt und in der Logis tik, als auch für Kleinbäuerinnen und -bauern im globalen Süden. In der Krise zeigt sich plötzlich, dass Tätigkeiten, die vorher wenig beachtet wurden, als „systemrelevant“ erkannt werden. Diese Ar- beit en, von der Pflege bis hin zum Regale einräumen im Super- markt, erfahren breite Wertschätzung. Dieser Dank ist allerdings nur ernst haft, wenn Arbeitsbedingungen verbessert und faire Löhne geschaffen werden. Diesem Blick auf eine gerechtere Ver- tei lung möchten wir jenen auf „systemrelevante“ Tätig keiten im globalen Süden hin zufügen, beispielsweise im Bana nen-, Kaffee- und Kakaoanbau. Eine globale Wirtschaft und in ter natio nale Lie- ferketten werden lang fristig nur funktionieren, wenn alle Betei lig- ten angemessen von ihrer Arbeit leben können. Im aktuellen Krisenbewältigungsmodus braucht die Situation in Afrika, Lateinamerika und Asien besondere Beachtung. Dort brei- tet sich das Virus ungehindert aus und „social distancing“ oder mehr maliges Händewaschen, geschweige denn medizinische Fürsorge, ist an vielen Orten ohne Gesundheitsversorgung und sanitäre Ein rich tungen unmöglich. Dies gilt für riesige Slums wie Kibera (Nai robi), Soweto (Johannisburg) oder Städte wie Neu Dehli ge nau so wie für ländliche Regionen. Daher ist unsere Solidarität wich ti ger denn je: Der faire Handel leistet einen konkreten Bei trag, dieser Solidarität Ausdruck zu verleihen und aktiv Verant wor tung zu übernehmen. Schauen Sie anders auf die Welt und lassen Sie uns gemeinsam dazu beitragen, dass wir Fairness und Nach hal tigkeit in den Vor - der grund rücken. Auch sie sind für unse re glo ba le Welt „system- relevant“. Für den Vorstand Titelbild: Feste Mindestpreise und Prämien, Qualitätssteigerung und Wissens - vermittlung – drei Dinge, von denen Fairtrade-Kaffeekooperativen profitieren. Foto: Jakub Kaliszewski3 Grußwort Mit den SDG s hat sich die internationale Gemeinschaft erstmals umfassende und gemeinsame Ziele gesetzt. Wenn wir sie erreichen wollen, brauchen wir Organisationen wie Fairtrade. Von Paula Caballero* SDG S – ZIELE FÜR EINE BESSERE WELT Foto: Paula Caballero Als wir vor fast zehn Jahren zum ersten Mal die Idee der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) formulierten, stießen wir auf große Skepsis. Die Ziele wur- den von vielen Ländern als Bedrohung angesehen und grund- sätz lich infrage gestellt. Unermüdliche Beharrlichkeit, viele Ge- sprä che, um vertrauensvolle Partnerschaften aufzubauen sowie neue For men in der Verhandlungsführung waren notwendig, um eine Einigung zu erzielen. Und die Anstrengungen haben sich gelohnt: 2015 verabschiede- ten die Vereinten Nationen 17 Nachhaltigkeitsziele, die die wich- tigsten Entwicklungs bereiche abdecken und zugleich wirtschaft- liche, soziale und öko logische Perspektiven aufzeigen. In einer Welt mit wach sen der Ungleichheit und Polarisierung, mit zuneh- men der Umwelt ver schmut zung und Ressourcenverbrauch, ver- fügt die Welt bevöl ke rung heute zum ersten Mal über gemein same Ziele – eine Per spek tive, die es so zuvor noch nie gab. Eine Agenda dieser Größenordnung ist nicht leicht umzusetzen. Sie erfordert eine strukturelle Neugestaltung der öffentlichen, privaten und wirtschaftlichen Sektoren sowie ein Ausbrechen aus festgefahrenen Denkweisen. Viele Regierungen und Unternehmen haben sich die Nachhaltigkeitsziele dennoch zu eigen gemacht und ihre Planungen danach ausgerichtet. Es ist jedoch zweifellos mehr erforderlich. Die Ungleichheit nimmt weltweit zu und ebnet den Weg für Populismus und Spaltung. Die Vernichtung lebens- wichtiger Ökosysteme treibt die menschliche Migration, das Arten sterben und den Klimawandel voran – mit irreversiblen Aus- wirkungen. Es bedarf daher einer stärkeren Koordination der SDG- und Klimaschutzmaßnahmen, mehr politischer Verantwortung, mehr Eigeninitiative eines jeden von uns. SDG 12, das für nachhaltigen Konsum und nachhaltige Produk- tion steht, ist eine wesentliche Grundlage für den globalen Para- digmenwechsel, den wir erreichen wollen. Der faire Handel spielt hier eine Schlüsselrolle, indem er Verantwortung übernimmt und nachhaltige Alternativen zum vorherrschenden Wirtschaftssystem aufzeigt. Fairtrade appelliert an die Verbraucher, fair und nachhal- tig zu konsumieren, leistet wichtige Bildungsarbeit und entwickelt ge mein sam mit Handelspartnern und Politik neue Lösungen zur Stär kung von Kleinbauernfamilien sowie Beschäftigten im globa- len Süden. Ich kann Sie zu dieser Arbeit nur beglückwünschen und Sie er- mutigen, diesen Weg beharrlich weiterzuverfolgen. Sie senden ein beispielhaftes Signal, dass eine gerechte und nachhaltige Ent- wicklung möglich ist. Ohne Organisationen wie Fairtrade wer den die SDGs nicht verwirklicht, denn sie müssen gelebt werden. Bitte tun Sie dies weiterhin – wir brauchen Sie. *Paula Caballero arbeitet als Geschäftsführerin des Lands for Life Pro gram bei Rare. Als Direktorin für Wirtschaft, Soziales und Umwelt im ko lum bia nischen Außenministerium entwickelte sie maßgeblich die Idee der SDGs. Deshalb wird sie als „Erfinderin der SDGs“ bezeichnet. Paula Caballero schaffte es, die UN und die Weltgemeinschaft für die 17 globalen Nach- haltigkeitsziele zu begeistern4 Nachhaltigkeit dynamisch gestalten Dank des Engagements von Zivilgesellschaft und Kommunen sowie der guten Partnerschaft mit Handel und Herstellern überzeugt Fairtrade immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher. NACHHALTIGKEIT DYNAMISCH GESTALTEN TransFair (Fairtrade Deutschland) wird von einem breit aufge- stellten Netz werk engagierter Menschen getragen. Eine wach- sen de Zahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern, über 670 Fairtrade-Towns, mehr als 700 Fairtrade-Schools und 30 Fairtrade- Uni versities sowie über 70 ehrenamtliche Referen tin nen und Re- fe renten tragen die Idee des fairen Handels in Privat haus halte, die öf fent liche Beschaffung, den Bildungssektor und in neue Netz werke. 36 Mitgliedsorganisationen aus den Berei chen Ent- wick lungs zusammenarbeit, Kirche, Sozialarbeit, Ver braucher- schutz, Genossenschaftswesen, Bildung, Politik und Umwelt un - ter stüt zen Fairtrade institutionell und bei der Ver brei tung des Fair - handels-Gedankens. Auf Marktebene sorgt die Zu sam men ar beit mit 440 Partnern aus Handel und Industrie für steigende Absätze fair gehandelter Produkte. Gemeinsam mit Unterstützern aus der Bundespolitik werden zudem Eckpfeiler für einen nach halti gen und bewussteren Konsum in Deutschland gesetzt. Fairtrade aktiv: Tausende Aktionen – ein gemeinsames Ziel Das Jahr 2020 steht unter dem Zeichen „Menschenrechte welt weit“ und wie sich diese mittels der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN (Sustainable Development Goals – SDGs) stärken lassen. Ins be- sondere SDG 12 „Nachhaltiger Konsum und Produktion“ rückt bei den Fairtrade-Aktionen 2020 in den Fokus. Der faire Handel hat große Schnittmengen mit den UN-Nach- haltigkeitszielen, die sich auch in den globalen Fairtrade-Standards, der Kampagnenarbeit sowie den politischen Forderungen von TransFair widerspiegeln. Fairtrade wird deshalb die SDGs im ge- sam ten Jahr 2020 mit einer Social-Media-Kampagne, Printma te - ria lien, Großflächenplakatierung sowie einer 50-minütigen Film- dokumentation und acht 10-minütigen Kurz filmen unterstützen. Traditionell ruft TransFair rund um den Weltfrauentag am 8. März Verbraucherinnen und Verbraucher dazu auf, mit fairen Rosen „Flower Power“ zu verschenken und machte dieses Jahr mit der Blumen botschafterin Agnes Chebii aus Kenia auf Frauenrechte weltweit aufmerksam. Dass faire Mode auch cool, lässig und mo- dern sein kann, zeigte Fairtrade bei der Fashion Revolution Week 2020, die vom 20.-26. April stattfand. „Geschlechtergerechtigkeit“ lautete der Schwerpunkt des Fair trade-Kampagnen-Jahres 2019, das thematisch passend mit der Rosen-Aktion im Frühjahr eingeläutet wurde. Während der Fashion Revolution Week berichtete die Fairtrade-Beraterin Sethu Lakshmy bundesweit über die Situation der Arbei te rinnen in indischen Textil fabriken. Frauen rechte und Geschlech ter ge- rech tigkeit rückten auch in der Fairen Woche thematisch in den Vorder grund und wa ren eingebettet in bundesweit über 2.000 Aktio nen zum fairen Han del. Beim Coffee Fairday, der TransFair- Aktion zur Fairen Woche 2019, galt es, fair gehandelten Kaffee zu trinken und Teil der längsten Kaffeetafel der Welt zu werden. Gemeinsam mit der Kaffee-Produzentin Olga Alvarado aus Hon- duras und der Unterstützung zwölf prominenter Fairtrade-Kaffee- genießerinnen und -genießer forderte Fairtrade die Bundes re gie - rung auf #MachKaffeeFair und die Kaffeesteuer für fair gehan del- ten Kaffee abzuschaffen (siehe S. 6/7)! Foto: Fairtrade / Jakub Kaliszewski Über 45.000 Menschen nahmen bundesweit an der längsten Kaffeetafel der Welt Platz und forderten: #MachKaffeeFair!5 Nachhaltigkeit dynamisch gestalten 10 Jahre FairtradeTowns Die Kampagne Fairtrade-Towns feierte 2019 ihr 10-jähriges Jubi - läum. Nach der Ernennung der ersten Fairtrade-Stadt Saar brücken in 2009, sind bis heute fast 700 Kommunen dem gu ten Beispiel ge - folgt. Auf Schulebene verankern deutschlandweit über 700 Fair trade- Schools den fairen Handel im Schulalltag. Darüber hinaus vertiefen die im Rahmen der Kampagne stattfindenden Schüler akademien das Bewusstsein für eine nachhaltige Entwicklung. 2019 fand erst- mals ein internationaler Austausch zweier Fairtrade -Schools statt. 30 Fairtrade-Universities bringen derzeit den fairen Handel auf den Campus: Neben der Beschaffung fair gehandelter Produkte und Aktionen zum fairen Handel an der Universität, wird das Thema Fairtrade auch immer öfter in wissenschaftlichen Arbeiten, Vor- trägen und Tagungen behandelt. „Fair begegnen – fair gestalten“: Kongress der Ideen und Taten Vom 18. bis 20. September 2019 kamen rund tausend Fair han- dels-Engagierte aus Kommunen, Schulen, Uni ver sitäten, Unter- nehmen sowie Verbänden zum größten Fair handels-Kon gress Deutschlands in Köln zusammen. Gemein sam mit Engagement Global lud TransFair Aktive des fairen Handels aus dem ganzen Land ein, sich aus zutauschen und sich von inter aktiv ge stalteten Work shop- und Diskussionsformaten für ihr Enga gement inspi rie- ren zu lassen. An den drei Kongresstagen standen – neben der Ernennung der Stadt Neumarkt in der Oberpfalz zur Hauptstadt des Fairen Han dels und der großen Geburtstagsparty „10 Jahre Fairtrade- Towns“ – Austausch, voneinander lernen und sich vernetzen ganz oben auf der Agenda. In zahlreichen Workshopfor maten präsentierten Engagierte aus Fairtrade-Towns, Fairtrade-Schools und Fairtrade-Universities ihre Best-Practice-Erfahrung sowie Herausforderungen in ihrem Fairhandels-Engagement. Be ein - druc kende Vorträge sowie Diskussionsrunden mit inter natio nalen Ak teuren des fairen Handels boten eine große Band breite an Input. Impressum Herausgeber: TransFair e.V. Redaktion: Claudia Brück (verantwortlich), Melanie Leucht, Frank Griesel, Tobias Thiele, Hannah Radke, Michael Jentsch, Philipp Paust Layout: Dreimalig Werbeagentur, Druck: Klimaneutral durch Thiekötter, Münster, Papier: 100 Prozent Recycling Fotos v.l.o.n.r.u.: Frank Griesel, Jakub Kaliszewski, Tobias Thiele (Mitte), Dirk Pudwell, Jakub Kaliszewski Mitgliedsorganisationen Fördermitglieder Stiftung Apfelbaum und Stadt NeussDen fairen Handel auch auf politischer Ebene voranzubringen – dies ist die klare Zielsetzung der politischen Arbeit von TransFair. Deshalb vernetzt sich der Verein mit wichtigen Personen aus Poli tik, Ministerien, Handels- und Wirtschaftsverbänden, Nicht- regierungsorganisationen, Umweltvereinigungen sowie UN-Orga - ni sationen. Dafür agiert TransFair in enger Abstimmung mit dem Forum Fairer Handel in Berlin und dem Fair Trade Advocacy Office in Brüssel. Auf EU-Ebene wurde 2019 gemeinsam mit weiteren Akteuren daran gear bei tet, Nach haltigkeitsaspekte in die Europawahl zu tragen, die Richt linie zu unfairen Handelspraktiken im Sinne von Klein bauern orga ni sa tionen und Arbeiterinnen und Arbeitern im globalen Süden mitzu gestalten sowie das Span- nungs feld zwischen aktuellem Wett be werbsrecht und Nach hal tig- keit auf die politische Agenda zu setzen. Konkrete Lösungsansätze entwickeln TransFair trägt die Anliegen der Fairtrade-zertifizierten Produ zen- tengruppen in eine wachsende Zahl sogenannter Multi-Stake- holder-Initiativen, in denen staatliche Stellen, Wirtschaftspartner und Zivilgesellschaft gemeinsam konkrete Herausforderungen identifizieren und Lösungsansätze entwickeln. Zu diesen Initiativen gehören das Forum nachhaltiger Kakao, das Aktionsbündnis für nachhaltige Bananen, das Bündnis für nachhaltige Textilien, die Initiative nachhaltige Agrarlieferketten sowie eine Partnerschaft zu nachhaltigem Orangensaft, die zurzeit entwickelt wird. Hürden abbauen Um die wirtschaftspolitischen Hürden für fairen Handel abzubau- en, ist es erforderlich, auf Vergaberichtlinien, Wettbewerbsrecht, Steuer- und Zollgesetzgebung, Handelsverträge, unfaire Handels- praktiken und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von Unter- nehmen einzuwirken. Fairtrade vertritt die Perspektive der Pro- du zenten und setzt sich dafür ein, dass der Marktzugang für Klein bäuerinnen und -bauern erhalten und ausgebaut wird. Lieferkettengesetz gefordert Fairtrade erkennt existenzsichernde Einkommen und Löhne als Menschenrecht an und setzt sich für ihre expli zite Auf nah me in allen politischen Bereichen ein. Als menschen rechts ba sier ter Standard unterstützt TransFair die Forderungen nach ei nem Lie - fer kettengesetz in Deutschland und der EU. Imple men tie rungs - kosten entlang der Lieferkette müssen solidarisch und für Klein- bauernorganisationen tragbar aufgeteilt werden; die unter neh - merischen Sorgfaltspflichten dürfen nicht dazu führen, dass Klein - 2019 hat TransFair die politische Arbeit weiter ausgebaut, um die Rahmenbedingungen für den fairen Handel zu verbessern. DEN PRODUZENTEN EINE STIMME GEBEN Chronik der Fairtrade-Kaffeesteuerkampagne September 2017 Start der Petition TransFair fordert die Bundes - regie rung auf, die Kaffee steuer für fair gehandelten Kaffee abzuschaffen. Januar 2018 Übergabe der Petition TransFair-Vorstandsvorsit zen- der Dieter Overath übergibt 15.000 Unterschrif ten an Entwicklungsminister Gerd Müller. April 2018 Gewinnen von Partnern Entwicklungsminister Gerd Müller unterstützt die Petition und treibt das Thema selbst aktiv voran. Juni 2018 Podiumsdiskussion TransFair und Forum Fairer Handel initiierten einen Event mit Akteuren aus Politik und Handel wie Günther Bachmann (Nach hal- tigkeitsrat) oder Albert Darboven. © S a n t i a g o E n g e l h a r d t © P h u o n g T ran M i n h© B M F / H e n d e l bauernorganisationen gegen vermeintlich „professionellere“ Groß- plantagen ausgetauscht werden. Steuergerechtigkeit von fairen Produkten 2,19 Euro Kaffeesteuer zahlen Konsumierende in Deutschland pro Kilo Kaffee – darauf wird dann noch die Mehrwertsteuer berech- net. Ob fair oder unfair gehandelt interessiert den Fiskus nicht. Dabei ist es das Ziel einer modernen Steuerpolitik, nachhaltigen Konsum zu fördern. TransFair fordert deshalb, die Kaffeesteuer für Kaffee aus fairem Handel abzuschaffen und somit den fairen Kaffeekonsum zu unterstützen. Es geht jedoch nicht nur um die Kaffeesteuer, sondern generell um das Thema wahre Kosten und Steuergerechtigkeit. TransFair fordert, in allen Produkten die wahren Kosten inklusive Umwelt- und Sozialeffekte einzupreisen. Bei vielen Produkten ist das aktuell nicht der Fall – sie werden zu Dumpingpreisen verkauft. Bei Fairtrade finden die sogenannten ex ternen Kosten deutlich stärkere Berücksichtigung. Durch eine Kaf feesteuerbefreiung für fairen Kaffee könnte der Effekt, dass an- dere Produkte billiger sind, da sie soziale und Umweltkosten auf die Gesellschaft und die Produzenten abwälzen, abgemildert wer - den. Dies wäre ein starkes politisches Signal und unterstützt un mit - tel bar SDG 12 – nachhaltiger Konsum und nach haltige Produktion. Faire Besteuerung 45.000 Menschen, darunter zahlreiche prominente Persönlich- keiten wie Cosma Shiva Hagen, Lavinia Wilson, Hannes Jaenicke und viele andere, beteiligten sich an der Kampagne zum Coffee- Fairday und unterstützten den Aufruf: Mach Kaffee fair! Hin ter - grund war die seit 2017 bestehende Forderung nach einer Ab - schaf fung der Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee. Gemein- sam mit dem Forum Fairer Handel konnte TransFair die For de rung im Bundestag platzieren. Zudem fanden Gespräche mit ver schie- denen Minis terien statt (siehe Grafik). Dieser Teilerfolg sowie die An kün digung des „Green New Deal“ seitens der EU zeigt, dass es nicht mehr die Frage ist, ob alle Politikbereiche – inklu sive der Finanz- und Steuerpolitik – zu Nachhaltigkeit beitra gen müssen, sondern nur noch wie. Über die politische Lobbyarbeit hinaus arbeitet TransFair gemein- sam mit seinen Mitgliedsorganisationen daran, öffentliche, kirch- liche und die unternehmenseigene Beschaffung nachhaltig und fair zu gestalten. Ein Erfolg war die Entscheidung, dass ab Sommer 2020 Reis, Bananen und Ananas in Berliner Schul kantinen aus fairem Handel stammen sollen. Der monatliche Bedarf liegt bei 30 Tonnen Reis und eine halbe Million Bananen. #MachKaffeeFair TransFair startet erneut eine Kampagne mit der längsten Kaffeetafel der Welt und einer Protestaktion. neuer unterstützer Die Minister Heil und Müller besuchen in Äthiopien Projekte. Seitdem unterstützt auch BM Heil die Forderungen. Termin im Finanzministerium Gespräche zur Abschaf- fung der Kaffee steuer für fair gehandelten Kaffee. Dezember 2019 oktober 2019 Gespräche im Bundestag Fairtrade platziert seine Forderungen im Aus- schuss für Ent wicklungs- zusam men arbeit. Februar 2020 oktober 2019 Tag des Kaffees #MachKaffeeFair – mit der Aktion erreicht TransFair 45.000 Unter- stützer* innen für fairen Kaffeekonsum. Juli 2019 © D e u t s c h e r B u n d e s t a g / A chim M e l d eBio-Info 2019 Bei Bio-Lebensmitteln verzeichnete Fairtrade einen Zuwachs von 10 Prozent. Knapp 60 Prozent der Fairtrade -Lebensmittel tragen nun neben dem Fairtrade -Siegel auch ein Bio- Siegel: 63 Prozent der Fairtrade- Bananen sind Bio-zertifiziert. Bei Kaffee liegt der Bio -Anteil bei 75 Prozent, bei Tee sind es 86 und bei Kaltgetränken gar 93 Prozent. 2019 gab es über 320 neue faire Bio -Artikel. Das Angebot wächst – die Nachfrage auch. Von dieser Entwick- lung profitieren sowohl Fairtrade-Produzentinnen und -Pro du zen- ten im globalen Süden als auch Konsumentinnen und Kon su men - ten hierzulande. 2019 wurden in Deutschland Fairtrade-gesiegelte Pro duk te im Wert von 2,04 Milliarden Euro konsumiert, 26 Pro- zent mehr als im Vorjahr. Somit gaben die Verbraucherinnen und Verbraucher im Schnitt rund 25 Euro für Fairtrade-Erzeugnisse aus. Insgesamt 7.000 Produkte sorgen für eine große Auswahl in Supermärkten, Fachgeschäften, bei Discountern, im Weltladen oder im Online- Handel. Knapp 60 Prozent der Fairtrade -Lebensmittel tra gen auch ein Bio -Siegel. Die fai ren Eigenmarken der Her stel- ler bleiben ein wichtiger Wachs tums faktor, aber auch im gastro no- mischen Bereich haben sich Fairtrade-Zutaten fest etabliert. Starker Kaffee in allen Bereichen (+12 %) 2019 fanden 23.000 Tonnen fair gehandelter Röst kaf fee den Weg in die Tasse, über 12 Prozent mehr als im Vor jahr. Sowohl im Einzel handel als auch im Außer-Haus-Markt konnte ein zwei stelli- ges Ab satzwachstum verzeichnet werden. Das Eigen markensor- timent im Einzelhandel wird konti nuierlich aus gebaut und neben Außer-Haus-Markt-Kanälen wie Studierendenwerken, Bäckereien und Coffee-Shops bieten auch Discounter ihren Kun den im Aus- gangsbereich Fairtrade-Kaffee „to go“ an. Bei den Rös tern über- zeu gen vor allem Darboven und Tchibo. Zudem hat Fairtrade vor wenigen Wochen ein spezielles Programm für Kleinröster gestartet. Blühender Absatz bei Blumen (+19 %) 500 Millionen verkaufte Fairtrade-Blumen erfreuten Pflanzen-Fans 2019 in Deutschland. Das Wachstum von 19 Prozent ist zum größ - ten Teil auf das Rosen-Angebot von Supermärkten wie Aldi Süd, Edeka/Netto, Kaufland, Lidl und Rewe/Penny zurück zu füh ren. Der Anteil von Fairtrade-Rosen am Gesamtmarkt be trägt heute 30 Prozent, wozu auch Blume 2000, Fleurop oder Omniflora sowie eine Vielzahl von Online-Shops beitragen. In der Vorweihnachtszeit erweitern Fairtrade-Weihnachtssterne im Lebens mittel einzel han- del, in Baumärkten und in Gartencentern das blühende Angebot. Guter Zuwachs bei Bananen (+41 %) Etwa 130.000 Tonnen Fairtrade-Bananen wurden 2019 ver kauft – 41 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Damit ist in etwa jede fünfte gekaufte Banane in Deutschland fair gehandelt. Die über pro por- tionale Entwicklung wurde vor allem durch die Umstellung der konventionellen Bananen bei Lidl erreicht. Aber auch andere Su- per märkte wie Aldi Nord und Penny hatten ein starkes Wachs tum zu verzeichnen. Neben den Bananen sind Fairtrade-Süd früchte wie Limetten, Passionsfrüchte, Tafeltrauben, aber auch Ana nas oder Mangos im Handel zu finden. FairtradeKakao setzt sich zunehmend durch (+45 %) Immer mehr Unternehmen setzen beim Rohstoffeinkauf auf Fairtrade. 2019 wuchs der Kakaoabsatz um 45 Prozent auf etwa 79.000 Ton nen Fairtrade-Kakao, über 75.000 Tonnen davon über das Rohstoff-Modell. Der Marktanteil von Fairtrade-Kakao liegt damit bei knapp 17 Prozent. Als Wachstumstreiber bewährten sich unter anderem Aldi, Lidl, Penny sowie Rewe und Lambertz. Auch die Partner bei dem klassischen Produkt-Siegel wie koawach, Plant-for-the-Planet oder Tony’s Chocolonely setzen vielverspre- chende Signale. 8 Marktübersicht Mit rund 7.000 Produkten auf dem Markt und einer Umsatzsteigerung von 26 Prozent stärkt Fairtrade nachhaltigen Konsum. MARKTÜBERSICHT Fotos: Jakub KaliszewskiPraktisch, modisch, nachhaltig – faire Baumwolle (+59 %) Textilien mit Fairtrade-Baumwolle erfuhren mit rund 22,2 Millionen ver kauften Teilen ein erfreuliches Absatzplus von 59 Prozent. Der zu nehmende Verzicht auf Plastiktüten im Einzelhandel zahlt auf den hohen Absatz von Baumwoll-Tragetaschen ein, aber auch im Be reich Oberbekleidung sind weiterhin steigende Ver- kaufs zahlen zu verzeichnen: Armedangels und Ernsting’s family etablieren sich mit Fairtrade-Kol lektionen als wichtiger Partner im Modesegment. Im Business-to-Business-Bereich bauen Tex til- hersteller wie Brands Fashion, CWS boco und Greiff das Berufs- bekleidungsangebot weiter aus. Zucker, Honig und Reis wachsen zweistellig Insgesamt wurden in Deutschland 2019 rund 5.900 Tonnen fai rer Zucker eingesetzt, ein Plus von rund 19 Prozent. Die Hälfte kommt als Haushaltszucker auf den Markt, der Rest verarbeitet in Softdrinks, Eis und Süßwaren. Die Fairtrade-Honigabsätze stie gen um zwölf Prozent auf knapp 1.500 Tonnen. Reisliebhaber sorgten für ein erfreuliches Absatzplus von 40 Prozent. Mit der Discover- Produkt reihe von Davert sind seit 2019 erstmalig Reis produkte mit dem Fairtrade-Rohstoff-Siegel im Regal zu finden. Schluck für Schluck fair Fruchtsäfte legten mit knapp 15,9 Millionen Litern um gut 7 Pro- zent zu – besonders die Discounter Aldi, Lidl und Penny aber auch Rewe sorgten für steigende Absätze. Unter den Her stel lern bleibt Pfanner der wichtigste Partner. 5,7 Millionen Liter Limo na de und Mischgetränke gingen 2019 über die Theke. Auch die Nachfrage nach Fairtrade-Wein stieg um 9 Prozent. Der Ab satz von Tee sank um 6 Prozent, doch die 2020 beginnende Ko ope ration mit der Tee - kampagne, dem weltweit größten Importeur von Darjeeling-Lose- blatt-Tee, lässt auf steigende Absätze hoffen. Gold und Kosmetik Der Absatz von Fairtrade-Kosmetik wächst durch einen Anstieg von Merchandise-Produkten und neuen Partnern wie i+m Natur - kos metik Berlin GmbH weiter, wenn auch auf niedrigem Niveau. 6 Kilogramm Gold wurden 2019 von Lizenznehmern zu Schmuck, kleinen Goldbarren und Münzen verarbeitet und verkauft. MARKTENTWICKLUNG *Bioanteil basiert auf Absatzmengen ProduktEinheitAbsatz 2019Veränderung zum Vorjahr Umsatz (gerundet) (Euro) 2019 Veränderung zum Vorjahr Bioanteil* Bananen/SüdfrüchteTonnen (t)136.829 41 % 225.768.261 41 % 63 % BlumenStiele506.218.988 19 % 167.052.266 30 % 0 % EiscremeLiter (l)7.967.374 -0,4 % 112.738.342 1 % 1 % Fruchtsaftl15.864.999 7 % 21.417.749 3 % 1 % Gewürzet146 -22 % 2.926.200 -22 % 7 % Goldkg6 0 % 237.600 0 % 0 % Honigt1.471 12 % 12.989.513 12 % 0 % Kaffee (geröstet)t22.881 12 % 533.236.555 13 % 75 % Kakao/Trinkschokoladet773 3 % 7.341.895 3 % 89 % Kalte Mischgetränkel5.681.117 7 % 43.727.523 -4 % 93 % Kosmetikl59.251 29 % 584.103 33 % 32 % Reist1.17640 %7.057.91440 %93 % Schokoladet2.32135 %43.863.81934 %57 % Süßwarent2.038 10 % 26.768.993 9 % 36 % SportbälleStück14.730 -28 % 220.950 -28 % 0 % Teet359 -6 % 17.941.900 -6 % 86 % TextilienStück22.176.87259 %194.176.39033 %63 % Weinl3.119.3369 %17.156.348 9 % 6 % Zuckert5.887 19 % 20.603.468 19 % 12 % Rohstoff-Modell für Kakaot75.12642 %519.301.604 42 % 0 % Sonstige (u.a. Brotaufstriche, Gemüse, Nüsse, Trockenfrüchte)t11.1877 %65.963.17784 %28 % Gesamt2.041.074.569 26 % 9 Marktentwicklung UMSATZENTWICKLUNG (IN MIO. EURO) 20062007200820092010201120122013201420152016201720182019 2000 1800 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 Umsatz 2019: 2,04 Mrd. €Next >